Sonntag, 2. August 2009

Da isser wieder

Hallo ihr Lieben ,

Wahnsinn! Die Zeit in als Freiwilliger ist nun wirklich schon fast vorbei. Heute ist meine letzte Nacht in Bamhani und ich schreibe gerade an meinem mittlerweile VIERTEN Anlauf für diesen 4. Blogeintrag. Seit dem letzten sind ja nun schon fast dreieinhalb Monate vergangen, zwischen durch war ich sogar schon in Deutschland bei der Hochzeit meines Bruders und hab eine verdammt kurze aber wunderschöne Woche in der Heimat verbracht! Natürlich sind auch eine Menge Sachen zwischendurch passiert. Sowohl arbeitstechnisch hier im Sangam als auch Urlaubstechnisch an Indienentdeckungen. Ich versuch mal mein bestes alles unter einen Hut zu bringen, ohne dass jeder nach 2 Stunden die Lust am lesen verliert. Das wird nich so einfach.

Für alle die keine Lust auf den folgenden endlos langen Text haben, die können sich einfach hier die Fotos angucken : http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ (auf der rechten seite sind die neuen Alben mit einem !-Zeichen markiert)

Meine Erwartungen an die Arbeit hier im Sangam wurden in vielen Hinsichten enttäuscht, weshalb ich auch nicht in der Lage war die letzten vier Anläufe für dieses Blogeintrag zu ende zu schreiben. Es ist einfach immer wieder in endlosen Frustrationsbekennungen gemündet, was ich euch in dieser Form einfach nicht antun wollte. Zumindest ein bisschen gute Laune aus den vorgehenden Texten sollte schon mitschwingen. Mittlerweile so kurz vor Ende meines Aufenthalts hab ich mich dann auch gefangen und die Vorfreude auf den langen Urlaub mit Bettina lassen mich dann auch entspannter drauf lostippen.

Also „was ist schief gelaufen?“, fragt ihr euch jetzt. Gar nicht so einfach da nen Startpunkt zu finden. Letztenendes ist es eine Mischung aus vielen Krisenherden die bei mir in einem negativen Gesamteindruck münden. Ich und meine beiden Mitstreiter Hannah und Henrik haben uns an vielen Abenden auf dem Balkon mit vielen Zigaretten und einigen Diskussionsbieren den Kopf heiß geredet über die Sachen die aus unserer Sicht einfach definitiv gegen den Baum gehen in diesem Verein. Das war wirklich ein unerschöpfliches Gesprächsthema (mittlerweile sind die anderen beiden auch schon im Urlaub). In der Regel sind wir immer wieder auf den gleichen Nenner gekommen, dass die Ursache vielen Übels schlichtweg im Missmanagement der verantwortlichen Personen liegt, womit man auch schon auf den Hauptpunkt kommt: „den verantwortlichen Personen“. Diese eben genannten sind nämlich in Sangam rar gesät. Es gibt zwar über 10 Projekte mit unterschiedlichsten Aktivitäten von Medizin über Landwirtschaft bis hin zu Mikrofinanzierung (alles Bereiche die allein schon größere NGO (Nichtregierungsorganisationen) als uns genug Arbeit machen und sich somit darauf spezialisieren) sowohl ein Konzept als auch eine kompetente Person sucht man in den meisten Fällen vergeblich. Noch mal kurz zum mitschreiben: es gibt im Sangam folgende Projekte
1. Mikrofinanzierung (Kleinstkredite)
2. Wassermanagement (Regenwasserrückhalte-Maßnahmen)
3. Nachhaltige biologische Landwirtschaft
4. Beratungsstelle für Frauen in Schwierigkeiten
5. Rainbow-Gästehaus (gehobenes Mittelklassehotel mit 14 Zimmern)
6. Ausbildung von Dorfgesundheitshelferinnen
7. Ausbildung von Technikschülern in Motorrad-Reperatur, Elektriker
8. Ausbildung von Nähschülerinnen
9. Kindergarten
10. Ausbildung von Hebammen
11. Leit-NGO für Lepraaufklärung im Landkreis Nagpur
12. tägliche Dorfklinikbesuche / monatliche Spezialistenbesuche im Dorf
13. Unterhaltung von einem Basiszentrum (Bamhani), 3 Dorfzentren und 4 Slumzentren (mit jeweils eigenen Nähschulklassen und Gesundheitshelferinnen) im Umkreis von 50 km rund um Nagpur
Das ist also schon eine ganze Latte und nach meinen Erfahrungen läuft oder lief es bei mindestens acht Projekten mehr als chaotisch, oder gar nicht ab. Gut könnte man sagen, Entwicklungshilfe ist ja auch kein Zuckerschlecken und es sicher nicht einfach seine Hilfe an die Menschen zubringen. Aber das eigentliche Problem sind ja eben leider nicht die Empfänger unserer Hilfe sondern die verkorksten Strukturen innerhalb des Sangams. Bei so ner Latte von Projekten könnte man erwarten, dass es wenigstens einen Manager gibt, unter dessen Fittichen dann alles abläuft. Im Sangam würde so eine Position am ehestens noch Shrikant ausfüllen. Zumindest versucht er sein bestes, aber die Arbeit die bei so vielen Projekten anfällt ist einfach nicht zu schaffen. Er sucht Gäste für das Rainbow, macht die Buchungen, ist erster Ansprechpartner bei Beschwerden etc, muss ständiges Reporting über alle Aktivitäten an Deutschland machen, muss sich um alle Belange Freiwilligen kümmern, fast jedes Projekt muss für ihre Aktivitäten das finale OK von ihm abholen, er soll sich um den Kauf von neuen Ländereien kümmern etc. etc. etc.
Das interessante ist dann, dass die DIZ, der deutsche Partnerverein, so gut ist und Shrikant zu einem 3 monatigen „Praktikum“ nach Deutschland einlädt. 3 Monate! Da dachte ich mir, Mensch wer übernimmt denn dann seine ganze Arbeit, wir haben ja schon kaum Personal! Tja es wurde 1 oder 2 Wochen vor seiner Abfahrt ein neuer Buchhalter eingestellt und die Slum-und Beratungsstellenkoordinatorin (24 jahre jung und grade mal 4 Monate beim Sangam) als Ersatz eingesetzt. Übergabe oder Einarbeitung? Fehlanzeige! Shrikant war weg und keiner wusste was jetzt seine Aufgaben sind. Jona, der die letzten 4 Jahre im Sangam als Manager gearbeitet hat und Rita, seine Mutter, die den ganzen Verein aufgebaut hat, waren schon seit Wochen in Deutschland. Der große Entwicklungshilfedampfer war also bildlich gesprochen seit neustem ohne Käpt´n.
Aber das Gästehaus hat weiterhin seine Gäste und die Slum und Beratungsstellenarbeit läuft weiter. Nur wie ist die Frage. Als sich vor ein paar Wochen eine ganze Hochzeitsgesellschaft aus Mumbai im Rainbow einquartiert hatte gab es für 2 Tage und Nächte komplett kein Wasser und der Strom war mit ein wenig Glück für ein paar Stunden da, der Rest der Zeit wars dunkel. Die Leute hatten das ganze Rainbow gebucht, das heißt die haben mehrere Tausend Euro dort gelassen. Aber es gab keinen einzigen, der sich darum gekümmert hat. Es war Samstag und die einzigen beiden Ansprechpartner waren unserer Wachmann und die Köchin. Der Buchhalter, der während Shrikants Deutschlandreise Hotelmanager spielen sollte war nicht zu erreichen und selbst wenn wusste er genauso wenig was zu machen war. Den Gästen wurde also weder gesagt warum das Wasser weg ist und ob jemand sich darum kümmert oder nicht. Es hat sich keiner drum gekümmert und wir saßen locker 24 Stunden auf dem trockenen, keine Klospülung, keine Dusche, kein Licht, keine Klimaanlage bei 42°C und kein Service und das ganze für 25 Euro pro Zimmer (indische Oberklassepreise). Vielleicht nicht das was man als Gast von so einem Gästehaus erwartet. Es war ja nicht so, dass die Situation unausweichlich war: wir haben nen dicken Generator vor dem Rainbow stehen und dass alle 3 Wasserreservetanks auf einmal leer waren war auch mehr als ein paar Tage vorher zu sehen. Fazit: fehlendes Management.

BEISPIEL 1 Mikrofinanzierung

Egal in welchen Bereichen wir gearbeitet haben (Henrik Mikrofinanzierung, Hannah Gesundheitsprojekt oder ich in der Landwirtschaft) überall hat es nicht funktioniert. Im Mikrofinanzierungsprojekt gab es keine Richtlinien nach denen sich das ungeschulte Personal (welches aus einer schizophrenen Sozialarbeiterin und 2 ungeschulten Außendienstmitarbeitern besteht) hätte richten können. Die Kleinstkredite wurden erst nur an ehemalige Nähschülerinnen, später auch an Selbsthilfegruppen ausgegeben, von denen nicht mehr bekannt war als ihr Name. Weder Vereinbarungen, was im Falle ausstehender Kredite passieren würde, regelmäßige Buchhaltung noch Fortbildungen gab es in diesem Projekt. Der Stand als Henrik hier ankam war erschreckend. Und keiner hätte sich weiter darüber den Kopf zerbrochen, wie viel Rupies noch verloren gehen, wenn er sich nicht in die Thematik eingearbeitet hätte. Mittlerweile hat er erreicht anhand des Beispiels anderer Mikrofinanzierungsinstitute (die dem Sangam auch vorher schon bekannt waren) solide Richtlinien für die Kreditvergabe aufzustellen, Formblätter zu entwerfen in denen Name, Adresse, Foto, Kreditwürdigkeit etc. erfasst werden und eine ordentliche Buchhaltung auf die Beine zu stellen. Durch den Kontakt zu anderen Instituten hat er erreichen können, dass die betreffenden Außendienstmitarbeiter ein paar Vorträge erhalten und dass endlich ein Koordinator für das Projekt festgelegt wurde. Das alles in zusammenarbeit mit 3 Mitarbeitern aus dem Verein (Parinita, Amit und Kedar, die drei Stützfeiler des Sangam). Nachdem er somit dem ganzen Projekt eine Struktur und Richtung gegeben hatte, musste das erneuerte Projekt nur noch abgesegnet werden von unserem Vorstand (Mr. Khisty, pensionierter Personalvorstand von Coal India Ltd., eines der größten Industrieunternehmens Indiens, der die obere Befehlsgewalt über alle Aktivitäten hat, aber ca. nur jeden 2.-3. Tag für max. 2 Stunden ins Büro kommt). Selbiger hatte es aber nach 4 Wochen immer noch nicht geschafft Henriks 8 Seiten Konzept durchzulesen und hatte somit keine Ahnung worum es eigentlich geht.

BEISPIEL 2: MEIN PROJEKT

Ähnlich glücklich ist es mir in meinem Biologischen Landwirtschaftsprojekt ergangen. In den ersten zwei Monaten hab ich mich erstmal mit aufs Feld gestellt um überhaupt einen Einblick in die Arbeit und indische Landwirtschaft zu bekommen. Was mir dabei sofort aufgefallen ist, ist dass zwischen den Aktivitäten die in unserem Werbeflyer propagiert werden und der tatsächlichen Arbeit Welten liegen. Der Sangam schickt sich an eine Modellfarm für Regenwasserrückgewinnung und Biologischer Landwirtschaft zu sein und damit Farmern aus der Region Alternativen zu ihren konventionellen nicht-nachhaltigen Praktiken aufzuzeigen. Fakt ist, dass weder die Farmarbeiter noch der Vorstand eigentlich eine konkrete Idee haben, was Wassermanagement oder organic farming (Biolandbau) eigentlich praktisch bedeutet. Weder konkrete Ziele noch Konzepte um selbige zu erreichen wurden erarbeitet. Frei nach dem Motto: „bauen wir doch einfach mal drauf los“. Was mich bei meiner Arbeit immer wieder erschrocken hat, wie viel Entscheidungen in meine Hände (und die meiner Vorgänger) gelegt wurden. Das Biolandbau Projekt wurde z.B. einfach auf Vorschlag meiner Vor-Vorgängerin eingeführt. Kein Mensch aus dem Verein hatte auch nur einen leisen Schimmer davon worum es dabei geht. Die Freiwillige hatte nach ihrem Abi ein paar Monate auf eine Ökofarm in Italien gearbeitet und dann mit den indischen Mitarbeitern einen Ausflug auf eine indische Biofarm gemacht. Das reichte dann um die komplette Farm (3 Hektar) auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Ohne konkrete Konzepte und Arbeitspläne. Einzig und allein die antroplogische Grundeinstellung, natürliches Landwirtschaften durch Verzicht auf Hochleistungssorten und chemische Dünger und Pestizide, die Wiedereinführung von traditionellen Sorten und Techniken, soviel war klar. Und soviel hat auch dem Vorstand gereicht, schließlich passt das ja ganz gut ins Portfolio so einer NGO und sieht gut auf dem Flyer aus.
Praktisch hingegen ist diese ganze Umstellung ein Fiasko. Mit meinen fast nicht vorhandenen landwirtschaftlichen Wissen habe ich durch reichlich Recherche, Interviews mit Experten und Farmarbeitern in einem Bericht festgestellt, dass das erste Jahr „Biolandbau“ ein riesen Flop war. Die Ernte war nur noch ein Bruchteil (25%) des normalen Ertrages und die Ausgaben überstiegen um gut das dreifache der Einnahmen. Super gewirtschaftet würde ich sagen. In meinem Bericht habe ich dann auch weiterhin darauf hingewiesen, dass die wirklich ernsthafte biologische Bewirtschaftung ein vielfaches mehr an Wissen, Handarbeit (Unkraut jäten per Hand, eigene Dünger und Pestizide herstellen, Kompost produzieren, Multikulturysteme und Kulturwechsel) und Erhaltung benötigt als die konventionelle Landwirtschaft. Somit wäre nicht nur ein erfahrener Farmkoordinator von Nöten sondern auch ein paar mehr Arbeiter. Wenn dafür keine Kapazitäten da wären, dann hatte ich vorgeschlagen solle man auch wieder zu konventioneller Landwirtschaft zurückkehren um nicht jedes Jahr solche ennormen Verluste einzufahren. Mein Bericht wurde hoch gelobt, denn letzendlich war ich der erste, der sich überhaupt mal sachlich mit der Thematik beschäftigt hatte und nicht alles aus Freiwilligenabenteuerurlaubssicht gesehen hat. Nicht nur das hat mich erschrocken sondern auch für wie voll mein Bericht genommen wurde. Schließlich bin ich Biotechnologe und hab von Bioloandbau etc. nur einen leisen Schimmer, wie kann das Management meine Meinung nur als Basis aller seiner entscheidungen machen ohne überhaupt meine Aussagen zu kritisieren und zu überprüfen. Ich weiss doch noch nicht mal ob das alles stimmt, was ich mir so gedacht hab. Dabei ist mir klar geworden wie Entscheidungen hier überhaupt getroffen werden: aus dem Bauch heraus – ohne besondere Qualifikationen. Jedenfalls wurde sich dafür entschieden nur noch auf einem kleinen Feld Biolandbau zu machen. Aber auch ein kleines Feld brauch jemand der weiss wie es geht und es den Farmarbeitern erklärt. Ic h bin dazu weder sprachlich noch praktisch in der Lage und letzteres trifft auch auf jeden anderen Farmarbeiter hier zu. Trotzdem muss das Projekt weiter gehen wurde entschieden. Und der nächste Streich kam zugleich.
Vor einem Jahr wurde an eine Stiftung in Deutschland ein Antrag von über 14.000 Euro Fördermittel für Biolandbau und Wasserrückgewinnung gestellt. Für den Aufbau einer komplett biologisch geführten Modellfarm. Und dieser Antrag wurde vor 4 Wochen nun bewilligt. Nur ist die Farm schon längst wieder zu dreiviertel mit gentechnisch veränderten Hchloeistungssorten und Chemiedünger bestellt. Schließlich kam die Bewilligung nach der Saatzeit. Das Geld soll nun aber ausgeben werden wo es denn schon mal da ist und seih die Situation zwischen Antragstellung letzen Jahres und heute noch so verschieden. Für den Antrag muss überdies noch monatlich Bericht in Englisch erstattet werden inklusive von Beweisfotos, es müssen alle Ausgaben und Aktivitäten protokolliert und zur Stiftung geschickt werden. Das heisst also, dass ein zukünftiger Farmkoordinator nicht nur profundes Wissen über Biolandbau sonder auch fließend Englisch und mit Computern umgehen kann. Nicht das solche Leute nicht zu finden wären aber alle Leute die sich im Sangam vorstellen werden wieder abgelehnt, da ihre Gehaltsvorstellungen nicht in die Gehaltsstruktur des Sangam passen. Das heisst das Geld für sie wäre da, aber aus Angst vor Neid der anderen Mitarbeitern und daraus resultierenden steigenden Gehaltsforderungen aller kann die betreffende Person nicht eingestellt werden. Das heißt es werden, wenn überhaupt, Leute eingestellt, die entweder nur 3 Tage pro Woche arbeiten oder schlecht ausgebildet sind. Damit ist dem Fortschritt natürlich nicht gedient und das Projekt zum scheitern verurteilt.
Darüber hinaus werde ist meine Zeit im Sangam nun vorbei und ein Stück Wissen wird damit auch wieder verloren gehen. Zwar hab ich verwsucht meine Nachfolgerin so gut es geht einzuarbeiten, aber auch sie hat andere Ziele, Ideen und kaum Fachwissen. Wenn es einen festen Koordinator gäbe würde vieles Wissen erstens nicht verloren gehen und zweitens auch an der richtigen Stelle sein.

BEISPIEL 3 : Freiwilligenprojekt

Das letzte Beispiel ist das jüngste im Sangam und wahrscheinlich auch das kürzeste. Vor allem ist damit aber heute für mich auch endgültig die Entscheidung gefallen, dass ich das Management und damit meine ich vor allem die deutsche Seite (die nach wie vor die Zügel in der Hand hat) in Zukunft nicht mehr unterstützen kann und will. Folgendes ist passiert. In unserem Vorbereitungsseminar in Deutschland wurde an uns herangetragen, dass es bis jetzt immer sehr schwierig bis unmöglich war indische Freiwillige für die Arbeit des Sangam zu gewinnen. Als wir vor ein paar Monaten zu einer Deutschklasse in einer Uni in Nagpur eingeladen worden sind und wir auf sehr sympathische und motivierte Studenten getroffen sind haben wir die Zusammenarbeit mit ihnen vorgeschlagen. Unsere Idee war, dass die indischen Studenten den Vorteil gegenüber uns haben mit den Slum- oder Dorfbewohnern auf einer Sprache zu kommunizieren. Somit könnten die Studenten die Aufklärungsarbeit des Sangam unterstützen indem sie Vorträge und Workshops über ausgewählte Themen wie Hygiene, Biolandbau etc. halten. Die Reaktion unserers Managements, vor allem des deutschen (!) war darauf überschwänglich „das wär das größte was in Sachen Freiwilligenarbeit im Sangam jemals gegeben hätte“. Auch die Direktorin der Uni war von der Idee begeistert, da ihre Studenten schließlich so Einblicke in die Slums gewinnen können und darüber hinaus ihr theoretisches Wissen praktisch umsetzen könnten. Von dieser Resonanz motiviert haben wir (Hannah, Henrik und Ich) ein solides Konzept ausgearbeitet in den die Ziele festgehalten wurden, einen Organisationsplan erstellt und uns in Kontakt mit den Freiwilligen begeben. Das Konzeot beruhte darauf, dass sich die indischen Freiwilligen mit den deutschen Freiwilligen zusammensetzen und je nach Bedarf bestimmte Themen ausarbeiten. Dieses Projekt würde also sozusagen eine win-win-win Situation ergeben. Die Arbeit des Sangam wird durch weitere Freiwillige unterstützt, den Slum und Dorfbewohnern werden weitere Alternativen aufgezeigt und die Studenten bekommen praktische Erfahrungen.
Den ersten Rückschlag gab es dann schon bald. Nachdem wir unser Konzept Mr. Khisty vorgelegt hatten, er hatte es einmal kurz überflogen und angefangen alles in Grund und Boden zu kritisieren ohne auch nur einen einzigen Satz unseres Konzepts gelesen zu haben. Wie wir uns wohl den Transport der Studenten vorstellen, dass es alles Kosten und Zeit vom Sangam in Anspruch nimmt. Plötzlich also ein ganz anderer Ton als noch Tage zuvor.
Schließlich wurde sich dann doch dazu entschieden das Projekt weiterzuführen. Letzte Woche war dann unsere erste Vorbereitungsstunde mit einer umwerfenden Resonanz auf Seiten der Uni, denn über 25 Studenten sind mit komplett vorbereiteten Präsentationen erschienen. Von Seiten des Managements hingegen wollte sich keiner blicken lassen. Tags darauf ging es dann ins erste Slumcenter und das Thema „Hygiene und Kosmetik“ fand auch großes Interesse bei den jungen Nähschülerinnen. Die Studentinnen haben gute und vor allem packende Präsentationen gegeben und alle schienen zufrieden.
Dann kommen heute zwei Emails aus Deutschland an die neuen Freiwilligen, die das junge Projekt jetzt übernehmen sollen und wollen, dass sie doch gefälligst ihre Arbeit und Konzentration in ihre vorher besprochene Arbeitsbereiche stecken sollen und ihre Zeit NICHT mit den Studenten verschwenden sollen. Sie sollen sich doch bitte um die Kernbereiche des Sangam kümmern. Mit anderen Worten: der Sangam will das Projekt eigentlich gar nicht. Jetzt wo alles in Sack und Tüten ist. Aber anstatt es mir, Hannah und Henrik im vornherein zu sagen, bevor die Kooperation beginnt, wird abgewartet bis wir alle unseren Freiwilligendienst beendet haben, um dann hinter unserem Rücken radikal einen Schlussstrich gezogen. Weniger Professionalität geht wohl kaum. Das Bild was die Uni dabei vom Sangam bekommt ist einfach nur noch peinlich.

URLAUB

Nun gut das waren so kleine Einblicke in den Mikrokosmos Sangam und seine Probleme. Da es neben der Arbeit ja zum Glück auch hin und wieder eine Abwechslung gab (was gar nicht so einfach war, wenn man an seiner Arbeitsstätte wohnt , schläft, arbeitet und isst und praktisch nie abschalten kann) wollte ich auch nochmal kurz von der anderen Seite meines Aufenthalts hier berichten. Seit ihr noch da?

Als ich aus Deutschland wieder in Nagpur eingetroffen bin, hat mich die Hitze um 4 Uhr morgens auf dem Flughafen fast umgehauen: mitten in der Nacht immer noch 38°C. Aus dem Frühlingsfrischen Deutschland war das eine Rückkehr in die Staubwüste mit gemischten Gefühlen. Zum Glück hatte ich mit Hannah und Henrik schon vorher einen Flug nach Goa gebucht. Mit der Aussicht ließ sich das endlose dahinvegetieren in der Hitze Bamhanis noch gerade so aushalten. Die Stromausfälle hatten sich auf 20 Stunden am Tag ausgeweitet, da das nahe Industriegebiet alles weggefressen hat. Draußen fegte ein heißer Wind unter der sengenden Sonne und in den den Stahlbetongebäuden war ohne Ventilatoren von Abkühlung auch nichts zu spüren. Egal wo man lag, stand und saß es gab kein entrinnen, kein kühles wässerchen oder ein leichte Brise. Konzentration war unmöglich. Sobald man sich nur eine Seite durch ein Buch gekämpft hatte ist man davongedöst und Stunden später im klastchnaß geschwitzten Laken aufgewacht. Selbst nachts war von Abkühlung keine Rede da sich die Gebäude tagsüber so stark aufgeheizt hatten, dass man das Gefühl hatte auf Omas alter Ofenbank zu schlafen.

GOA

Das Paradies lag nur 2 Stunden von uns entfernt am Indischen Ozean. Die alte Hippiehochburg Goa. Ich dachte ja immer Goa wäre eine Stadt, aber Goa ist das kleinste Bundesland Indiens, kleiner als das Saarland auf jeden Fall, und eine ganze Ecke reicher als der Rest von Indien. Das Flair was in Goa herrscht war krass anders von dem was wir aus Nagpur gewohnt waren. Wir waren endlich nicht die ersten Ausländer, die die Leute je gesehen hatte. Die Leute an sich waren wesentlich relaxter und nicht so hysterisch schreiend wie die ganzen aufgeheizten Gemüter in Nagpur. Das war definitiv ein anderes Indien und genau das was wir in dem Moment brauchten. Wir hatten dazu noch Glück, dass gerade das letzte Wochenende in der Saison war und alle Hotels und Verkaufsbuden schon dicht hatten. Somit hatten wir uns in Anjuna ein kleines Zimmer direkt am Strand unter Kokousnusspalmen genommen. Ach war das herrlich, endlich in Badeshorts und Oberkörperfrei am Strand zu spazieren ohen angestarrt zu werden, entspannt baden gehen zu können. Frischen Fisch aus dem Meer zusammen mit einem eisgekühlten Bier zu genießen. Und zum verdauen sich 10 Meter weiter ins Meer setzen und die atemberaubenden Sonnenuntergänge genießen. Mit gemieteten Motorollern haben wir dann die Gegend unsicher gemacht, sind zu benachbarten Buchten über traumhafte Straßen, die entlang von Stränden und durch Palmenwälder führten, gedüst. Haben die letzte Goa-Party der Saison am Strand gefeiert, schneeweiße portugisische Kirchen bestaunt. Am abgefahrnsten war aber der Anblick indischer Pauschalurlauber in diesem Travellerparadies. 2 Strände vollgepackt mit Tausenden Indern. Dicht an dicht gedrängt standen sie im Wasser, die Frauen natürlich immer in Saris badend, es war laut, es war stressig und es war natürlich auch verdammt dreckig. Müll soweit das Auge reicht. Dafür, dass sich die Inder sonst zum trinken nachts immer in irgendwelche düstere Spilunken verziehen, standen sie hier aufeinmal voll besoffen mit Badeshorts um 12 Uhr mittags mit ner Buddel im Wasser um haben ihren Spaß gehabt.
Das andere Extrem waren dann absolute indische Oberschicht-Jugendliche, die für einen Wochenendtrip aus Mumbai nach Goa fliegen um hier ein bisschen Strandparty zumachen. Die Mädels in knappesten Mini´s und Shorts und die Typen mit Pornosonnenbrille und Joints im Mund. Dazwischen wir, die zum ersten Mal seit Deutschland wieder zu „normaler“ Musik getanzt haben. Das ganze vor traumhaftester Sonnenuntergangskulisse direkt am Strand (siehe Fotos). Der Kurzurlaub hatte sich also 1000%ig gelohnt und ein wiederkommen mit Bettina im September stand fest.

MUMBAI / BOMBAY

Keine Woche nach unserer Rückkehr hatten wir dann auch schon die Zugtickets nach Mumbai in der Tasche, was unser letzter gemeinsamer Trip werden sollte, denn danach war unsere gemeinsame Zeit in Indien auch schon fast vorbei. Dafür, dass der Monsun Goa während unserer abreise schon erreicht hatte, war von ihm in Nagpur weit und breit noch nichts zusehene und es braucht e noch ganze 4 Wochen bis der Regen wirklich einsetzte. Somit war der Aufenthalt in Mumbai allein klimatisch auch wieder eine echte Erhohlung. Ein Großteil der Traveller, die nach Indien kommen halten es keine 2 Tage in Mumbai aus bevor sie weiter reisen, weil ihnen die Stadt zu laut, zu stressig, zu arm uns zu dreckig ist. Wir, die Monate lang in der Hitze Nagpurs als weit und breit einzige Weiße gelebt haben und somit immer und überall im Fokus der Aufmerksamkeit standen und man so gut wie nie seine Ruhe hatte, haben uns in Mumbai ganz einfach super entspannt. Nie musste man mit Rikhsafahrern für die kleinsten Strecken Minutenlang um Preise fälschen ( in der Regel bezahlt man in Nagpur als Weißer das dreifache, wenn man gut verhandelt und das 6 fache wenn man nicht verhandelt) weil es in Mumbai keine Rikshas gibt und man in bequemen Taxis für festgeschriebene Preise extremst günstig durch die Gegend kutschiert wird. Zudem gibt es in Mumbai so viele Touris, dass man endlich mal nicht auffällt wie ein bunter Hund.
Wirklich heftig in Mumbai war es die Überbleibsel der Terroranschläge von letztem November selbst zu sehen. Verbarrikatierte Fensterscheiben im Taj Hotel (das in dem sich die Terroristen 3 Tage verschanzt hatten bevor hoffnungslos überforderte indische Sicherheitskräfte dem Massaker ein Ende bereitet hatten). In der bekanntesten Travellerkneipe waren noch 2 Einschusslöcher in den Scheiben zu sehen und ein Security zeigte uns noch seine Narbe am Hals, die er von einem Streifschuss davongetragen hatte.
Auch martialisch anzusehen war der „Chor Bazar“ ein riesiger überdachter Lebensmittelmarkt. Auf selbigen wurden die Hühner frisch geschlachtet, direkt vor unseren Augen. Der Gestank von frischem und alten Blut war erdrückend und trieb die Gedanken doch stark in Richtung zukünftigen Vegetarier-Dasein. Die Hühner wurden aus dem Käfig geholt, ZACK mit dem Messer die Kehle durchgeschnitten und zum auszappeln und -bluten erst einmal in die Regentonne geschmissen. Nach 5 Minuten wurde der Kadaver dann vom blutverschmierten Schlachter herausgenommen und dem Huhn wortwörtlich das Fell über die Ohren gezogen. Die Gedärme mit der bloßen Hand herausgeholt und das Fleisch präpariert. Das war schon ein echter Schocker und der Anblick des frischen Gemüses am anderen Ende der Halle dann doch irgendwie Foto-tauglicher. Danach mussten wir an der müllverseuchten Strandpromenade erst einmal frische Luft schnappen und einen letzten sehnsüchtigen Blick in Richtung Ozean werfen bevor unserer Zug wieder zurück gen Nagpur ging.

FINALE

Nun bin ich doch nicht drum herum gekommen ein wenig auszuholen und ein paar Bruchstücke aus der schwierigen Arbeit hier zu berichten. Wenn ich wollte könnte ich noch soviel Stunden weiter erzählen… Ich möchte trotzdem, dass ihr wisst das einige Projekt im Sangam auch sehr gut laufen und trotz vielem Missmanagements viele Menschen von der Arbeit des Sangams leben und profitieren und dass er vor allem viele jungen Frauen eine Alternative bietet, die sie in der indischen Gesellschaft sonst nicht bekommen könnten.
Ich gehe zwar letzendlich mit einem negativen Eindruck zurück nach Deutschland, anderseits bin ich auch sehr dankbar für die einzigartigen Einblicke, die ich hier bekommen konnte. Das ich über die Problematik Entwicklungsländer ganz neue Ansichten gewinnen konnte. Das man als Fremder einfach immer mit viel Freundlichkeit und unbändiger Neugierde begrüßt wird. Das ich das Glück in Deutschland und Europa aufgewachsen und leben zu können noch einmal viel mehr zu schätzen weiss. Das ich noch viel mehr weiss wie wichtig mir Freunde und Familie sind und wo ich hingehöre.

Doch nun geht es morgen erst einmal alleine für eine Woche auf nach Rajasthan zum Taj Mahal etc. und dann werde ich am 9. August endlich Bettina vom Flughafen abholen können und unsere gemeinsame Reise durch Südindien starten. Darauf freue ich mich unendlich!!! Von da aus werde ich mich dann auch mit einem kurzen Reisebericht melden. Der wird dann wirklich KURZ! Keine Angst!

Danke für das lesen, für den, der bis hierhin durchgehalten hat!! Jetzt habt ihr euch auch das Fotoalben durchstöbern verdient! siehe: http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ (auf der rechten seite sind die neuen Alben mit einem !-Zeichen markiert)

Eurer JohannesinIndien
Hännä (Gast) - 9. Aug, 12:40

Na Maydääär, das mit Goa und Mumbai habe ich jetzt nicht mehr geschafft zu lesen, aber davon hattest du j auch schon viel erzählt.

Hmm...das klingt ja echt kacke dass das so doof gelaufen ist und das die dort nichts gebacken bekommen.

Besonders interessant fande ich das mit den Mikrokrediten, davon habe ich schon viel gelesen. Der Typ der das erfand hat doch auch n Nobelpreis bekommen und nun schön zu lesen wie "gut" es doch in in der Praxis klappt ;)

Ja ich konnte mich leider auch lange nicht melden, da ich hier noch in Rostock bin und das alles mitn Internet nicht so gut läuft.

Aber dir denn noch viel Spass und wir sehen uns ja denn bald

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