42 Grad und es geht noch heißer!!!
Hallo ihr Lieben,
mein Gott die Zeit rast aber auch vorbei, schwups sind wieder fünf Wochen mit Feldeinsätzen, Bürotagen, Strandurlaub, Dorfbesuchen, Verletzungen, Meetings, Hochzeiten, Schweißbädern, Frustrationsattacken und Erfolgserlebnisssen rum.
Soorie an alle, die heiß auf Nagpurs Neuste Nachrichten sind, dass es so lange gedauert hat! Aber ich bin zuversichtlich, dass euch die Frühlingsgefühle so gepackt haben, dass ihr vor lauter Blumenschnuppern, Sonnentanken und Angrillen auch lieber die Natur als den Computerbildschirm genießen wolltet :) In der Tat bin ich jetzt sogar ab und zu ein bisschen neidisch auf euch gewesen, bei der Vorstellung das langsam alles grün wird, während es hier nach und nach immer dörrer, trockener und heißer wird. Bei meinem Sonntagsspaziergang habe ich beim Bahnhofsthermometer grade eine 42 gelesen, die sich aber mal locker wie eine 52 anfühlt! Da fällt es auch absolut nicht schwer am Tag kamelmäßig 4-5 Liter Wasser in sich hineinzuschütten und zudem auch noch jede Menge Elektrolyte zu konsumieren. Am Besten gönnt man sich dazu den Spezial-Mangodrink. Hört sich leider besser an als es ist, da der Geschmack eher an faule Eier als an frisches Obst erinnert, aber besser als ein Sonnenstich ist er allemal.
Aber nun zum Thema. In den letzten Wochen habe ich das Gefühl mich richtig eingearbeitet und einen besseren Überblick über die vielen Aktivitäten zu haben. Auch wenn man jetzt im Gegensatz zu der ersten Zeit immer tiefer in seine eigene Materie eintaucht und von den anderen Projekten nur noch am Rande was mitbekommt, zum Beispiel die interessanten Mikrofinanzerungsprojekte in den Dörfern mit Frauen-Selbsthilfegruppen, die dabei sind ihre eigenen kleinen Geschäfte zu planen oder die Eröffnung eines neuen Slum-Zentrums in Nagpur. Anderseits bin ich auch sehr froh mein eigenes kleines Reich mit dem Ökolandbau und der Wasserrückgewinnung gefunden zu haben und dort meine volle Energie und Wissen investieren zu können. Der besondere Reiz der Arbeit hier machen vor allem die vielen unterschiedlichen Aktivitäten aus: ich setz sich mit den Farmarbeitern (Aashish, Dinesh, Praful) und den Koordinatoren (Mr. Dalal, Shrikant , Mr. Khisty) zusammen und bespreche Wochenpläne, Ideen und Konzepte; man knüpft Kontakte mir verschiedensten Regierungseinrichtungen, die einem in Bodenanalysen, Schädlingsbekämpfung, Biogas weiterhelfen können; man sitzt natürlich auch tagelang nur im Büro und recherchiert im Internet und schreibt Reoports. Zum Ausgleich kann ich mich dann aber in Bamhani bei der Feldarbeit austoben. Im März war zum Beispiel die Weizenernte, bei der einige Tagelöhnerinnen, die Farmarbeiter und ich unsere 4 Weizenfelder per Hand abgeerntet haben. Das waren einige Tage Arbeit in der prallen Sonne, ein Wahnsinn, wenn man sich vorstellt, das so ein Mähdräscher, wie man ihn von unseren Feldern kennt, damit in einer Viertelstunde fertig gewesen wäre! Nachts war dann leider noch nicht Feierabend, die Spreu musste ja noch vom Weizen getrennt werden. Die Maschine dafür brauchte natürlich Strom und Strom ist in Bamhani nur abends und nachts sicher vorhanden. Dazu auch noch ne kleine Anekdote: ich hatte mich vorher schon gefragt, was für ein langes Verlängerungskabel wohl vom Basiszentrum quer über die Farm zu der Maschine gelegt werden sollte. Tja nix da, schwupp die wupp hat sich Ashish ne Leiter gekrallt, hat mit den 2 Drähten die Hochspannungsleitung angezapft, Spannungsumwandler dazwischen gepackt und fertig. Ich weiss nicht warum man als Deutscher immer so kompliziert denkt?!
Nachdem die ganzen Erntearbeiten abgeschlossen sind und wir überraschenderweise auf unserem 100% Bioacker den höchsten Ertrag verzeichnen konnten ging es daran die Farm startklar für die nächste Saison zu machen. Dafür braucht man auch die drei Monate, denn die 4 Hektar geben einiges an Arbeit her. Es hat sich für mich mittlerweile herausgestellt, dass eigentlich schon einige sehr gute Strukturen hergestellt wurden, wie ein halbes Dutzend Kompostgruben, das Tröpchenbewässerungssystem, etc. aber deren Nutzung und Instandhaltung bei den Farmarbeitern noch nicht ganz verinnerlicht ist. Allen voran ist das Thema Wassersparen, was verdammt hart in die Köpfe zu kriegen ist. Aber dazu später mehr. Das Ziel des Sangam ist es ja eine Biofarm aufzubauen und langsam eine Unabhänigigkeit von chemischen Düngern, gekauften Saatgut und Pestiziden zu erlangen, indem man alles auf der Farm selbst herstellt. So ein Umwandlungsprozess von konventioneller zur organischer Landwirtschaft braucht mindestens 4-5 Jahre und viel Erfahrung. Da der Sangam diese Erfahrung nicht hat, sind wir auf den Rat anderer Experten angewiesen und müssen natürlich auch durch „Try and Error“ rausfinden was klappt und was nicht.
Um diesen Prozess trotzdem eine Richtung zu geben hab ich mir auf die Fahne geschrieben ein „organic farming action plan“ zu entwerfen in dem die Aktivitäten für die nächsten Jahre geplant werden. Um z.B. die natürliche Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen ist es essentiell bestimmte Pflanzenfamilien in einer festgelegten Reihenfolge über Jahre hinweg anzubauen. Um sicherszustellen, dass dies auch nach meiner Zeit geschehen wird schreibe ich das Konzept, was dann von den nächsten Freiwilligen umgesetzt und weiterentwickelt wird. Eine echt spannende Angelegenheit, da ich demnächst zusammen mit unserem neuen Farmkoordinator eine „preisgekrönte“ Biofarm besuchen werde um mehr praktisches Wissen zu bekommen und ich in verschiedenen Regierungsinstituten war und mich mit Experten für Ökolandbau, Landnutzungsplanung und Biogasanalagen getroffen habe und so Puzzle um Puzzlestück den Aktionsplan vervollständige.
Während ich mich voll in die Arbeit stürze und die kurzen Wochenenden in der Stadt meist im Büro verbringe, vergesse ich manchmal, dass ich ja in INDIEN bin. Man ist einfach so in diesem Arbeitsalltag und dem Farmleben eingebunden, dass die Zeit um das Land und Leute kennenzulernen echt verinnt. Da es den anderen Freiwilligen in ihren Projekten ähnlich geht, hatten wir uns fürs Osterwochenende einen kleinen Trip geplant. Als Ostseekind hab ich drauf bestanden, dass es AUF JEDEN FALL ans Meer gehen sollte: endlich Wasser, frische Luft und am Strand die Seele baumeln lassen! Was uns als erstes bei der Planung aufgefallen ist: verdammt! Nagpur ist ja genau in der Mitte dieses riesen Landes, das ist ja zu jeder Küste gleich weit weg: Westküste 1000 km, Goa 2000 km, Ostküste 1000 km. Das hiess erstmal 2 Tage nur für die An-und Abreise einplanen, und das bei einem 4 Tage Trip! Nachdem wir diverse Reisführer und Inder über die schönsten Strände und die besten Küstenstädte ausgequetscht haben, haben wir uns für Ostern in Puri and der Ostküste entschieden. Einer der 4 großen Pilgerorte der Hindus, sozusagen das Mekka am Strand. Gebongt, Ticket gekauft, und 3 Tage später saßen wir um Gründonnerstag im Zug ans Meer. Zumindest waren wir im festen Glauben daran, bis der Schaffner kam und fragte: „where do you want to go?“ Wir natürlich einstimmig „P.U.R.I“ mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht und Palmenstränden vor den Augen. Antwort: „o.k. you are sitting in the wrong train. Sorry!“! In dem Moment ist uns allen die Kinnlade runtergeklappt, unsere Wochenendplanung wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Tatsächlich sind wir im Zug nach Kalkutta gelandet und nicht im Puri-Express! Der Schein war perfekt: wir waren auf dem richtigen Gleis, der Zug kam pünktlich und unsere Platznummern haben wir auch sofort gefunden. Nur auf die Durchsage haben wir nicht geachtet, unser Zug kam ein wenig später. Glücklicherweise lag Kalkutta wenigsten grob in unserer Richtung und der Schaffner konnte uns eine neue Verbindung nach Puri raussuchen, mit der wir zur gleichen Zeit unsere Ziel erreicht haben . Der Vorteil an der Action war, dass für uns die 24 Stunden Reisezeit wie im Flug vergangen Zugfahren in Indien fühlt sich einfach verdammt gut an. Die Türen sind immer offen, man kann sich bei voller Fahrt oder den vielen Stopps aus dem Zug hängen, alle paar Minuten kommen Leute mit Snacks und Tee für ein paar Rupien vorbei und man hat die Aufmerksamkeit der Inder als Europäer sowieso immer auf seiner Seite und Gesprächspartner sind schnell gefunden.
Bei Sonnenaufgang hatten wir dann schon das grüne Meereshinterland erreicht und der Strand war greifbar nahe. Ein letztes Mal umsteigen und es ging vorbei an Kokusnusspalmenwäldern, Mangroven-Sümpfen über kilometerbreite Flusstäler gen Puri. Kaum angekommen, haben wir nur schnell ein billiges Zimmer gesucht, die Sachen abgeschmissen und zum Meer gelaufen und uns in die Wellen geschmissen! Wahnsinn: zum ersten Mal baden im Indischen Ozean! Der absolute Oberhammer! In Puri hab ich zum ersten Mal richtig realisiert, dass ich hier wirklich in Indien bin. Mit den Sonnenuntergängen am Strand, den Fischerdörfern, den grünen Tempelanlagen. Am ehesten kann man das sowieso auf den Fotos nachvollziehen. Es war einfach wunderschön und wir konnten Freiheit schnuppern und unsere Energietanks wieder voll auffüllen! Auf jeden fall ein Osterfest, an dass ich mich lange erinnern werden können!
Braungebrannt und entspannt zurück in Nagpur haben wir (Hannah, Henrik und Ich) dann unser eigenes neues Projekt begonnen. Durch einen Kontakt zu einer Deutschklasse von einem renommierten College in Nagpur haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit gesehen indische Freiwillige für den Sangam gewinnen zu können. Nachdem wir uns in Puri schon ein grobes Konzept überlegt hatten, haben wir es der Direktorin des College präsentiert und nach einem Besuch mit ihr in unserem Basiszentrum in Nagpur war sie hin und weg und hat sofort für eine Zusammenarbeit eingewilligt. Unsere Idee ist, dass wir zusammen mit 10-20 Studenten aus verschiedenen Disziplinen Themen wie Mangelernährung, Wasserrückgewinnung erarbeiten. Die Motivation für sie ist es in einem „internationalen“ Team zu arbeiten (die meisten Studenten sind wirklich sehr sehr neugierig, warum wir Europäer denn in ihrem Land freiwillige soziale Arbeit machen) und so mehr über Deutschland zu erfahren. Von unserer Seite ist es ein unschätzbarer Vorteil gut ausgebildete und vor allem Marathi sprechende Studenten zu haben, die uns dabei helfen können Menschen in den Döfern über viele Themen aufzuklären! Es wär eine großartige Ergänzung zu den bereits bestehenden Aktivitäten. Besonders wert wollen wir aber auch darauf legen, dass wir es schaffen bis zu unserer Abreise ein Netzwerk aufzubauen, dass von den nachfolgenden Freiwilligen weitergepflegt wird und wächst. Besonders froh waren wir dabei über die Unterstützung der Direktorin, die diese Zusammenarbeit als einen Kurs innerhalb des Studiums verpacken will, sodass die Studenten den Aktivitäten unter der Woche nachgehen können und nicht ihre sehr kurze Freizeit dafür opfern müssen. Zum Glück sind bis Mitte Juni Semesterferien, sodass wir bis dahin mit einem gut durchdachten Konzept aufwarten können.
Langsam wird es hier im Büro mal wieder unerträglich heiss, und der Mittagsessensduft kommt auch schon herüber gezogen, sodass mir langsam das Wasser im Mund zusammenläuft und ein Ende des Textes bevorsteht. Ja, auch nach 2 Monaten find ich das Essen einfach extremst köstlich, was wohl auch an unserer exzellenten Köchin liegt. Es gibt eigentlich immer vegetarisches Essen und ganz selten mal Fleisch. Meistens so 2-3 verschiedene Gemüsevariationen (Blumenkohl, Kartoffeln, Ladyfinger) dazu immer Reis, Chappati (Weizenfladen) und Dal (Linsenbrühe). Von allem macht man sich dann immer einen kleinen Haufen auf den Teller und genießt das ganze mit den Händen essend! Einfach köstlich! Das absolute kulinarische Highlight gabs aber letzte Woche bei meinem ersten indischen Hochzeitsbesuch: eingeladen hatte mich der Experte vom Landnutzungs-Institut, der den Sangam schon länger kennt. Ich hatte mich schon gewundert, dass ich da so einfach eingeladen werde, aber als ich vor dem Eingang des Festes stande, wurde mir auch bewusst, dass da wohl mehr als der engere Familien und Freundeskreis eingeladen wurde. Die Ausmaße waren Volksfest-mäßig: ca. 800-1000 Menschen waren versammelt. An einem Ende gab es eine riesige Bühne für das Brautpaar (davor eine 50 Meter Menschenschlange an Gratulanten), am anderen Ende gab es eine zweite Bühne auf der die Musiker ihr Bestes gegeben haben. Aber am meist-bevölkersten war das 100 m lange Buffet, an dem ich mich dann auch sogleich zuschaffen gemacht hatte unter Einweisung des Cousins der Braut, der so freundlich war mir dieses verrückte Festival zu erklären. Es gab ca. 5 verschiedene vegetarische Pfannen, dann noch 2-3 verschiedene chinesische Nedelpfannen, diverse Nachspeisen und eine extra Bäckerei, die die Chappaties frisch gebacken hat. Außerdem noch ein Riesen Obstbuffet. Wenn man bedenkt, dass die gesamte Hochzeit immer von der Familie der Braut finanziert wird, dann ist es echt kein Wunder, dass sich die Leute für Jahre, wenn nicht sogar für ihr Leben verschulden. Und dann hat das Brautpaar noch nicht mal was von der ganzen Zeremonie, weil sie studenlang lächelnd den Hunderten von Leuten die Hand schütteln müssen. Man geht an ihnen vorbei sagt kurz :“Alles gute fürs Eheleben“ und gibt sein Geschenk ab. Dabei wurde ich dann noch von 3 Kameramännern mit Monsterscheinwerfern gefilmt und von mindestens 4 Fotografen festgehalten. Die Leute tuen mir eigentlich nur leid und ich freue mich richtig auf die Hochzeit von meinem Bruder am 2. Mai in Deutschland!
Also wenn wir uns nicht in Deutschland hören oder treffen, dann lest ihr spätestens wieder was von mir, wenn ich zurück in Nagpur bin! Genießt die Fotos ( http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ ) und ich freue mich immer sehr über emails! Macht´s gut und bis bald!
Euer Sonnenverbrannter Johannes
mein Gott die Zeit rast aber auch vorbei, schwups sind wieder fünf Wochen mit Feldeinsätzen, Bürotagen, Strandurlaub, Dorfbesuchen, Verletzungen, Meetings, Hochzeiten, Schweißbädern, Frustrationsattacken und Erfolgserlebnisssen rum.
Soorie an alle, die heiß auf Nagpurs Neuste Nachrichten sind, dass es so lange gedauert hat! Aber ich bin zuversichtlich, dass euch die Frühlingsgefühle so gepackt haben, dass ihr vor lauter Blumenschnuppern, Sonnentanken und Angrillen auch lieber die Natur als den Computerbildschirm genießen wolltet :) In der Tat bin ich jetzt sogar ab und zu ein bisschen neidisch auf euch gewesen, bei der Vorstellung das langsam alles grün wird, während es hier nach und nach immer dörrer, trockener und heißer wird. Bei meinem Sonntagsspaziergang habe ich beim Bahnhofsthermometer grade eine 42 gelesen, die sich aber mal locker wie eine 52 anfühlt! Da fällt es auch absolut nicht schwer am Tag kamelmäßig 4-5 Liter Wasser in sich hineinzuschütten und zudem auch noch jede Menge Elektrolyte zu konsumieren. Am Besten gönnt man sich dazu den Spezial-Mangodrink. Hört sich leider besser an als es ist, da der Geschmack eher an faule Eier als an frisches Obst erinnert, aber besser als ein Sonnenstich ist er allemal.
Aber nun zum Thema. In den letzten Wochen habe ich das Gefühl mich richtig eingearbeitet und einen besseren Überblick über die vielen Aktivitäten zu haben. Auch wenn man jetzt im Gegensatz zu der ersten Zeit immer tiefer in seine eigene Materie eintaucht und von den anderen Projekten nur noch am Rande was mitbekommt, zum Beispiel die interessanten Mikrofinanzerungsprojekte in den Dörfern mit Frauen-Selbsthilfegruppen, die dabei sind ihre eigenen kleinen Geschäfte zu planen oder die Eröffnung eines neuen Slum-Zentrums in Nagpur. Anderseits bin ich auch sehr froh mein eigenes kleines Reich mit dem Ökolandbau und der Wasserrückgewinnung gefunden zu haben und dort meine volle Energie und Wissen investieren zu können. Der besondere Reiz der Arbeit hier machen vor allem die vielen unterschiedlichen Aktivitäten aus: ich setz sich mit den Farmarbeitern (Aashish, Dinesh, Praful) und den Koordinatoren (Mr. Dalal, Shrikant , Mr. Khisty) zusammen und bespreche Wochenpläne, Ideen und Konzepte; man knüpft Kontakte mir verschiedensten Regierungseinrichtungen, die einem in Bodenanalysen, Schädlingsbekämpfung, Biogas weiterhelfen können; man sitzt natürlich auch tagelang nur im Büro und recherchiert im Internet und schreibt Reoports. Zum Ausgleich kann ich mich dann aber in Bamhani bei der Feldarbeit austoben. Im März war zum Beispiel die Weizenernte, bei der einige Tagelöhnerinnen, die Farmarbeiter und ich unsere 4 Weizenfelder per Hand abgeerntet haben. Das waren einige Tage Arbeit in der prallen Sonne, ein Wahnsinn, wenn man sich vorstellt, das so ein Mähdräscher, wie man ihn von unseren Feldern kennt, damit in einer Viertelstunde fertig gewesen wäre! Nachts war dann leider noch nicht Feierabend, die Spreu musste ja noch vom Weizen getrennt werden. Die Maschine dafür brauchte natürlich Strom und Strom ist in Bamhani nur abends und nachts sicher vorhanden. Dazu auch noch ne kleine Anekdote: ich hatte mich vorher schon gefragt, was für ein langes Verlängerungskabel wohl vom Basiszentrum quer über die Farm zu der Maschine gelegt werden sollte. Tja nix da, schwupp die wupp hat sich Ashish ne Leiter gekrallt, hat mit den 2 Drähten die Hochspannungsleitung angezapft, Spannungsumwandler dazwischen gepackt und fertig. Ich weiss nicht warum man als Deutscher immer so kompliziert denkt?!
Nachdem die ganzen Erntearbeiten abgeschlossen sind und wir überraschenderweise auf unserem 100% Bioacker den höchsten Ertrag verzeichnen konnten ging es daran die Farm startklar für die nächste Saison zu machen. Dafür braucht man auch die drei Monate, denn die 4 Hektar geben einiges an Arbeit her. Es hat sich für mich mittlerweile herausgestellt, dass eigentlich schon einige sehr gute Strukturen hergestellt wurden, wie ein halbes Dutzend Kompostgruben, das Tröpchenbewässerungssystem, etc. aber deren Nutzung und Instandhaltung bei den Farmarbeitern noch nicht ganz verinnerlicht ist. Allen voran ist das Thema Wassersparen, was verdammt hart in die Köpfe zu kriegen ist. Aber dazu später mehr. Das Ziel des Sangam ist es ja eine Biofarm aufzubauen und langsam eine Unabhänigigkeit von chemischen Düngern, gekauften Saatgut und Pestiziden zu erlangen, indem man alles auf der Farm selbst herstellt. So ein Umwandlungsprozess von konventioneller zur organischer Landwirtschaft braucht mindestens 4-5 Jahre und viel Erfahrung. Da der Sangam diese Erfahrung nicht hat, sind wir auf den Rat anderer Experten angewiesen und müssen natürlich auch durch „Try and Error“ rausfinden was klappt und was nicht.
Um diesen Prozess trotzdem eine Richtung zu geben hab ich mir auf die Fahne geschrieben ein „organic farming action plan“ zu entwerfen in dem die Aktivitäten für die nächsten Jahre geplant werden. Um z.B. die natürliche Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen ist es essentiell bestimmte Pflanzenfamilien in einer festgelegten Reihenfolge über Jahre hinweg anzubauen. Um sicherszustellen, dass dies auch nach meiner Zeit geschehen wird schreibe ich das Konzept, was dann von den nächsten Freiwilligen umgesetzt und weiterentwickelt wird. Eine echt spannende Angelegenheit, da ich demnächst zusammen mit unserem neuen Farmkoordinator eine „preisgekrönte“ Biofarm besuchen werde um mehr praktisches Wissen zu bekommen und ich in verschiedenen Regierungsinstituten war und mich mit Experten für Ökolandbau, Landnutzungsplanung und Biogasanalagen getroffen habe und so Puzzle um Puzzlestück den Aktionsplan vervollständige.
Während ich mich voll in die Arbeit stürze und die kurzen Wochenenden in der Stadt meist im Büro verbringe, vergesse ich manchmal, dass ich ja in INDIEN bin. Man ist einfach so in diesem Arbeitsalltag und dem Farmleben eingebunden, dass die Zeit um das Land und Leute kennenzulernen echt verinnt. Da es den anderen Freiwilligen in ihren Projekten ähnlich geht, hatten wir uns fürs Osterwochenende einen kleinen Trip geplant. Als Ostseekind hab ich drauf bestanden, dass es AUF JEDEN FALL ans Meer gehen sollte: endlich Wasser, frische Luft und am Strand die Seele baumeln lassen! Was uns als erstes bei der Planung aufgefallen ist: verdammt! Nagpur ist ja genau in der Mitte dieses riesen Landes, das ist ja zu jeder Küste gleich weit weg: Westküste 1000 km, Goa 2000 km, Ostküste 1000 km. Das hiess erstmal 2 Tage nur für die An-und Abreise einplanen, und das bei einem 4 Tage Trip! Nachdem wir diverse Reisführer und Inder über die schönsten Strände und die besten Küstenstädte ausgequetscht haben, haben wir uns für Ostern in Puri and der Ostküste entschieden. Einer der 4 großen Pilgerorte der Hindus, sozusagen das Mekka am Strand. Gebongt, Ticket gekauft, und 3 Tage später saßen wir um Gründonnerstag im Zug ans Meer. Zumindest waren wir im festen Glauben daran, bis der Schaffner kam und fragte: „where do you want to go?“ Wir natürlich einstimmig „P.U.R.I“ mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht und Palmenstränden vor den Augen. Antwort: „o.k. you are sitting in the wrong train. Sorry!“! In dem Moment ist uns allen die Kinnlade runtergeklappt, unsere Wochenendplanung wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Tatsächlich sind wir im Zug nach Kalkutta gelandet und nicht im Puri-Express! Der Schein war perfekt: wir waren auf dem richtigen Gleis, der Zug kam pünktlich und unsere Platznummern haben wir auch sofort gefunden. Nur auf die Durchsage haben wir nicht geachtet, unser Zug kam ein wenig später. Glücklicherweise lag Kalkutta wenigsten grob in unserer Richtung und der Schaffner konnte uns eine neue Verbindung nach Puri raussuchen, mit der wir zur gleichen Zeit unsere Ziel erreicht haben . Der Vorteil an der Action war, dass für uns die 24 Stunden Reisezeit wie im Flug vergangen Zugfahren in Indien fühlt sich einfach verdammt gut an. Die Türen sind immer offen, man kann sich bei voller Fahrt oder den vielen Stopps aus dem Zug hängen, alle paar Minuten kommen Leute mit Snacks und Tee für ein paar Rupien vorbei und man hat die Aufmerksamkeit der Inder als Europäer sowieso immer auf seiner Seite und Gesprächspartner sind schnell gefunden.
Bei Sonnenaufgang hatten wir dann schon das grüne Meereshinterland erreicht und der Strand war greifbar nahe. Ein letztes Mal umsteigen und es ging vorbei an Kokusnusspalmenwäldern, Mangroven-Sümpfen über kilometerbreite Flusstäler gen Puri. Kaum angekommen, haben wir nur schnell ein billiges Zimmer gesucht, die Sachen abgeschmissen und zum Meer gelaufen und uns in die Wellen geschmissen! Wahnsinn: zum ersten Mal baden im Indischen Ozean! Der absolute Oberhammer! In Puri hab ich zum ersten Mal richtig realisiert, dass ich hier wirklich in Indien bin. Mit den Sonnenuntergängen am Strand, den Fischerdörfern, den grünen Tempelanlagen. Am ehesten kann man das sowieso auf den Fotos nachvollziehen. Es war einfach wunderschön und wir konnten Freiheit schnuppern und unsere Energietanks wieder voll auffüllen! Auf jeden fall ein Osterfest, an dass ich mich lange erinnern werden können!
Braungebrannt und entspannt zurück in Nagpur haben wir (Hannah, Henrik und Ich) dann unser eigenes neues Projekt begonnen. Durch einen Kontakt zu einer Deutschklasse von einem renommierten College in Nagpur haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit gesehen indische Freiwillige für den Sangam gewinnen zu können. Nachdem wir uns in Puri schon ein grobes Konzept überlegt hatten, haben wir es der Direktorin des College präsentiert und nach einem Besuch mit ihr in unserem Basiszentrum in Nagpur war sie hin und weg und hat sofort für eine Zusammenarbeit eingewilligt. Unsere Idee ist, dass wir zusammen mit 10-20 Studenten aus verschiedenen Disziplinen Themen wie Mangelernährung, Wasserrückgewinnung erarbeiten. Die Motivation für sie ist es in einem „internationalen“ Team zu arbeiten (die meisten Studenten sind wirklich sehr sehr neugierig, warum wir Europäer denn in ihrem Land freiwillige soziale Arbeit machen) und so mehr über Deutschland zu erfahren. Von unserer Seite ist es ein unschätzbarer Vorteil gut ausgebildete und vor allem Marathi sprechende Studenten zu haben, die uns dabei helfen können Menschen in den Döfern über viele Themen aufzuklären! Es wär eine großartige Ergänzung zu den bereits bestehenden Aktivitäten. Besonders wert wollen wir aber auch darauf legen, dass wir es schaffen bis zu unserer Abreise ein Netzwerk aufzubauen, dass von den nachfolgenden Freiwilligen weitergepflegt wird und wächst. Besonders froh waren wir dabei über die Unterstützung der Direktorin, die diese Zusammenarbeit als einen Kurs innerhalb des Studiums verpacken will, sodass die Studenten den Aktivitäten unter der Woche nachgehen können und nicht ihre sehr kurze Freizeit dafür opfern müssen. Zum Glück sind bis Mitte Juni Semesterferien, sodass wir bis dahin mit einem gut durchdachten Konzept aufwarten können.
Langsam wird es hier im Büro mal wieder unerträglich heiss, und der Mittagsessensduft kommt auch schon herüber gezogen, sodass mir langsam das Wasser im Mund zusammenläuft und ein Ende des Textes bevorsteht. Ja, auch nach 2 Monaten find ich das Essen einfach extremst köstlich, was wohl auch an unserer exzellenten Köchin liegt. Es gibt eigentlich immer vegetarisches Essen und ganz selten mal Fleisch. Meistens so 2-3 verschiedene Gemüsevariationen (Blumenkohl, Kartoffeln, Ladyfinger) dazu immer Reis, Chappati (Weizenfladen) und Dal (Linsenbrühe). Von allem macht man sich dann immer einen kleinen Haufen auf den Teller und genießt das ganze mit den Händen essend! Einfach köstlich! Das absolute kulinarische Highlight gabs aber letzte Woche bei meinem ersten indischen Hochzeitsbesuch: eingeladen hatte mich der Experte vom Landnutzungs-Institut, der den Sangam schon länger kennt. Ich hatte mich schon gewundert, dass ich da so einfach eingeladen werde, aber als ich vor dem Eingang des Festes stande, wurde mir auch bewusst, dass da wohl mehr als der engere Familien und Freundeskreis eingeladen wurde. Die Ausmaße waren Volksfest-mäßig: ca. 800-1000 Menschen waren versammelt. An einem Ende gab es eine riesige Bühne für das Brautpaar (davor eine 50 Meter Menschenschlange an Gratulanten), am anderen Ende gab es eine zweite Bühne auf der die Musiker ihr Bestes gegeben haben. Aber am meist-bevölkersten war das 100 m lange Buffet, an dem ich mich dann auch sogleich zuschaffen gemacht hatte unter Einweisung des Cousins der Braut, der so freundlich war mir dieses verrückte Festival zu erklären. Es gab ca. 5 verschiedene vegetarische Pfannen, dann noch 2-3 verschiedene chinesische Nedelpfannen, diverse Nachspeisen und eine extra Bäckerei, die die Chappaties frisch gebacken hat. Außerdem noch ein Riesen Obstbuffet. Wenn man bedenkt, dass die gesamte Hochzeit immer von der Familie der Braut finanziert wird, dann ist es echt kein Wunder, dass sich die Leute für Jahre, wenn nicht sogar für ihr Leben verschulden. Und dann hat das Brautpaar noch nicht mal was von der ganzen Zeremonie, weil sie studenlang lächelnd den Hunderten von Leuten die Hand schütteln müssen. Man geht an ihnen vorbei sagt kurz :“Alles gute fürs Eheleben“ und gibt sein Geschenk ab. Dabei wurde ich dann noch von 3 Kameramännern mit Monsterscheinwerfern gefilmt und von mindestens 4 Fotografen festgehalten. Die Leute tuen mir eigentlich nur leid und ich freue mich richtig auf die Hochzeit von meinem Bruder am 2. Mai in Deutschland!
Also wenn wir uns nicht in Deutschland hören oder treffen, dann lest ihr spätestens wieder was von mir, wenn ich zurück in Nagpur bin! Genießt die Fotos ( http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ ) und ich freue mich immer sehr über emails! Macht´s gut und bis bald!
Euer Sonnenverbrannter Johannes
johannesatindia - 20. Apr, 12:13