INDIEN MACHT SPASS!
Namastee liebe Freunde, Familie und Bekannte!
Ich heisse euch willkommen zu meinem ersten Erlebnissbericht hier aus Nagpur bei, aus deutscher Sicht, beneidenswerten Temperaturen von 35 Grad und strahlendem Sonnenschein! Ich weiss mein Glueck zu schaetzen und hoffe, dass ihr euch in den kalten deutschen Wintertagen ein wenig an meinen Text erwaermen koennt :)
Die ersten zehn Tage im Freiwilligendienst platzen vor der Masse an neuen Eindruecken und Erlebnissen und geben mir das Gefuehl hier genau richtig zu sein! Die freundliche Offenheit, die einem hier vom ersten Flughafenmitarbeiter bis zum Slumbewohner entgegenstrahlt haut einen wirklich um und laesst mich hier sehr wohl fuehlen. Indien, oder der klitzekleine Teil den ich bis jetzt zu sehen bekommen habe, ist ein beeindruckendes Land, so facettenreich und widerspruechlich, schoen und haesslich zugleich.
Die ersten Tage hatte ich das grosse Glueck von der anderen Freiwilligen Amelie eine Orientierungswoche organisiert zu bekommen, in der ich alle wichtigen Arbeitsfelder und –orte des Ecumenical Sangam (kurz Sangam) kennenlernen durfte. Praktisch hiess das raus aus dem Flugzeug rein ins Gewimmel. Zuerst gings 9 Uhr morgens durch den unnachvollziehbaren Strassenverkehr (irgendwie gibts ja Linksverkehr, aber eigentlich faehrt jeder wie er will, wo er will und wann er will und letzendlich siegt der mit der lautesten Hupe ) zum Vereinshaus im Herzen von Nagpur. Alle wichtigen Mitarbeiter waren dann zu einer Vorstellungsrunde eingeladen, bei der ich ueber alle Arbeitsbereiche im Schnelldurchgang informiert wurde. Der Grossteil der Mitarbeiter spricht nur Hindi oder Marathi (die Landessprache des Bundesstaates Maharashtra) sodass mir ein Grossteil uebersetzt werden musste. Noch etwas mit dem Jetlag des langen Fluges kaempfend habe ich dann soviel wie moeglich versucht aufzuschnappen. Ein Grossteil der Projekte arbeitet in 5 der mehr als 450 (!)Slums der Stadt und in von der Welt fast abgeschnittenen Doerfern in der Region rund um Nagpur. Dabei stehen vor allem medizinische Aufklaerung und Fortbildungsangebote auf dem Programm, z.B. gibt es eine grosse Aufklaerungskampagne ueber Lepra und halbjaehrige Naeherinnen-Kurse.
Aufregend wurde es dann beim ersten Slumbesuch mit einer Solzialarbeiertin-Parinita. Mein Bild von einem „typischen“ Slum war bis dato gepraegt durch die Bilder aus Fernsehen und Zeitung von Blechhuetten, Plastikplanen und viel Dreck. In den 2 Slums, die ich bis jetzt besucht hatte war ich aber überrascht worden von gemauerten Häusern und befestigten Dächern, wenn auch sehr klein für die 3-4 Generationen, die dort unter einem Dach leben. Dort gab es aber z.B. auch nicht viel mehr Müll als in den restlichen Straßen von Nagpur (welche offiziell immerhin die zweit grünste und sauberste Stadt Indiens ist). Dadurch das Parinita einen sehr engen Kontakt zu ihren betreuten Personen hat wurde auch ich herzlich in die Häuser ihrer „Klienten“ eingeladen. Gastfreundlich wie ich bin musst ich dann bei jeden einen kleinen Chai (extremst leckerer Gewürztee) mittrinken um den Gastgebern, das Gefühl zu geben, dass sie mich „richtig“ bewirtet haben Parinitas Arbeit besteht zum Großteil aus der gesundheitlichen Aufklärung der Menschen, vor allem der Kinder, was Ernährung und Impfungen anbelangt und außerdem zeigt sie den Menschen wo und wie sie auch ihre Ansprüche auf staatliche Hilfe geltend machen können. Die Situation ist für uns unvorstellbar, praktisch als wenn man eben in Armut in Deutschland lebt und nicht weiss, dass es so was wie Hartz IV überhaupt gibt.
Das waren wirklich einzigartige Einblicke, die man als Touri wohl kaum bekommen könnte. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Wochen noch einmal hingehen kann und mich mit meinen bis dahin verbesserten Hindi-Skills (ich hab seit heute eine Hindi-Lehrerin…juhuu) mit den Leuten ein bisschen direkter unterhalten zu können. Außerdem hatte ich einem Mädchen dort versprochen, was akzentfrei Englisch sprechen konnte, nach einer Andrea Heidelberg aus Göttingen zu gucken, da ihre Mutter vor 20 Jahren lange Briefkontakt mit ihr hatte. Ich hab leider nichts rausfinden können, vielleicht wisst ihr ja was?
Obwohl es nur eine Woche zurückliegt ist seitdem schon wieder so viel passiert, dass mir schon schwer fällt die Eindrücke der Reihe nach zuordnen. Sehr aufregend war dann eine Citytour mit Shrikant, DEM Arbeitstier und Hauptorganisator im Sangam überhaupt. Er hat uns im indischen Fahrstil die Stadt von allen Seiten gezeigt, rauf auf die Seminary Hills mit Blick über die Stadt, vorbei an riesigen Wasserreservoirs für die Wasserversorgung in den trockenen Monaten, die jetzt kommen werden. Allein heute hat das Thermometer einen Spitzenwert von 38°C erreicht, der sonst erst ab Ende März normal ist. Ich kann mich also auf eine heiße Zeit einstellen, bis der Monsun kommt. Zur Abkülung haben wir uns dann in einen Buddhistentempel verzogen, bei dem vor 50 Jahren Hundertausende Hindus mit ihrem Anführer (Ambedkar) zum Buddhismus konvertiert sind um den Ungerechtigkeiten ihres niederen Kastendaseins zu entkommen. Nagpur hat also geschichtlich richtig was auf dem Kasten. Später sind wir (ich mit der anderen neuen Freiwilligen Hannah und den alten Freiwilligen) auf eigene Faust in die Stadt losgezogen um die wichtigsten Einkäufe zumachen und unsere miesen Feilschfähigkeiten zu testen. Dazu kam es aber gar nicht erst, weil wir als Europäer eh ständig von Straßenhändlern und Rikshafahrern belagert wurden, begleitet von tausenden an uns haftenden Blicken. Das ist echt einzigartig als Paradiesvogel durch die Gegend zu wandeln und kann auf Dauer echt anstrengend werden. Aber mit nem Lächeln im Gesicht geht hier alles .
- Schnitt -
Kontrastprogramm Bamhani Basiszentrum, 36 km südlich von Nagpur. ZACK! Stand ich da, 9 Uhr Montagmorgen vom Fahrer abgesetzt im Basiszentrum Bamhani. Stille. Affenschreie. Vogelgezwitscher. Morgensonne. Verschlafene Mitarbeiter mit einem Begrüßungsstrauß in der Hand. Ich war angekommen an meiner richtigen zukünftigen Arbeitstelle. Idyllisch wie in „Unsere kleine Farm“ , 4 Häuser ein paar Brunnen und jede Menge Ackerland. Und auch hier kam mir eine so herzliche Freundlichkeit entgegen, das ist echt der Hammer. In einer Schnelldurchlaufvorstellungsrunde wurden alle Arbeitsgebiete die auf dem Basiszentrum angesiedelt sind vogestellt. Mikrofinanzierungsprojekte, Gesundheitscamps, Schneiderinnenkurse, Kindergarten, Technikerausbildung, Wasserwirtschaft und Biologische Landwirtschaft. Alle Gebiete mehr oder weniger in den Kinderschuhen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier sorgen die 65 Kindergartenkinder tagsüber für jede Menge Leben! Nachdem wir unsere Zimmer dann einweihen konnten (grade erst 2 Tage vorher fertig geworden) gings mit Dr. Awchat auf ins erste von vier Subzentren, die im Umkreis von 30 km ums Basiszentrum angesiedelt sind. Der Doktor macht jeden Tag nach seiner normalen Praxisarbeit von 16-21 Uhr Besuche in den Subzentren um den Menschen, die sonst keine Möglichkeit hätten zu den weit entfernten Krankenhäusern zu fahren, eine medizinische Grundversorgung anzubieten. Das war echt krass: erst mit dem Jeep über teilweise holprigste Pisten zu den Basislager „vorstoßen“. Dann warten in der Regel schon 10-20 Patienten um sich behandeln zu lassen. Entweder aus mangelnden Platz oder aus indischer Mentalität haben sich dann alle in den Behandlngsraum gesetzt, der sonst als Nähschule genutzt wird, und dann wurde jeder nach und nach zum Tisch,der in der anderen Ecke des Raumes stand, gerufen und konnte sein Anliegen schildern und alle hören mit und wissen somit, dass Müllermeierschmidt aus Nachbardorf X gestern einen Bandscheibenvorfall bei der Feldarbeit hatte. Um das ganze noch zu toppen wurde dann noch von Steffen (ein anderer Freiwilliger) alles auf Video für den ersten DIZ-Film aufgezeichnet. Das würde ich ja zu gern mal in einer deutschen Praxis ausprobieren.
Die Fahrten übers Land waren nebenbei auch sehr interessant für mich, um einen Eindruck zu bekommen wie die indische Landwirtschaft aussieht. Dabei sticht einem sofort die extreme Trockenheit ins Auge. Sobald ein Flecken Erde nicht mehr mit Brunnenwasser bewässert wird trocknet er unter der knallenden Sonne sofort aus. Das ist dann der indische Winter: die Bäume tragen kein Laub, weil einfach alles eintrocknet. Die folgen konnte ich dann gleich am eigenen Leib erfahren, als wir von einer Tour zum Basiszentrum zurückkamen haben uns große Stichflammen und ein fette Rauchwolke begrüßt. Ich dachte sofort „Verdammt, das wars dann mit der Farm und den Feldern“ Meine Kollegen meinten dann aber, das sei ganz normal, haben sich ein paar Zweige genommen und das Feuer ausgeklopft. Nachdem die größten Brandherde dann nur noch kleine Feuerchen waren, war das Thema erledigt. Da hats mir echt den Magen umgedreht, bei den Bildern die man aus Australien so gesehen hat. Das Feuer kam übrigens vom Nachbar nebenan, der seine geernten Felder lieber abbrennt, als das restliche Stroh einzusammeln, damit der Boden wieder für die nächste Saison bestellbar ist. Das ist hier so die gängige Praxis habe ich mir sagen lassen.
Wären wir etwas später gekommen, hätte sich wohl mein zukünftiges Arbeitsgebiet, der Biolandbau, in Luft aufgelöst. Glück gehabt. Der Biolandbau wurde übrigens erst letztes Jahr durch eine Freiwillige eingeführt und wird jetzt von mir weitergeführt. Dazu werden mir vom Vorstand täglich neue Ideen mitgeteilt, was man noch alles auf der Farm machen könnte um den Bauern aus der Umgebung Alternativen aufzuzeigen. Somit stecke ich gerade in einem Tronsformationsprozess von der Laborratte zum „Bauer sucht Wissen“ und hoffe dabei in den nächsten Monaten viel dazuzulernen und anstoßen zu können. Dabei wird es vor allem interessant mit der indischen Arbeitsgeschwindigkeit klarzukommen, die den Temperaturen entsprechend gemütlicher von statten geht. Aber das muss ja nicht unbedingt negativ sein, da man sich so seine Investitionen und Vorhaben noch mal genau überdenken kann.
Konkret werde ich am Montag mit der Beaufsichtigung vom Bau eines Regenwassersammelbeckens für das Dachabflusswasser und der Weizen und Linsenernte betraut sein. Bei der Ernte muss ich z.B. den durchschnittlichen Ertrag pro Flächeneinheit herausfinden für die unterschiedlich gedüngten Felder (Biodünger, chemischer Dünger, gemischt) um so auf die optimale Düngung für unseren Boden herauszufinden. Es gibt also eine Menge zu tun und ich freu mich riesig drauf!
Ich hoffe ihr seit bis hierher gekommen und könnt euch ein Bild davon machen wie hier die ersten Tage aussahen. Ich werde euch auf dem laufenden halten mindestens alle 2 Wochen, sofern mir das die dutzenden Strom und Internetausfälle ermöglichen! Wenn ihr mich auch persönlich hören Wollt so erreicht ihr mich auf der Nummer 00919657981201 (das ist mein indisches Handy mit einer passenden Vorwahl von www.billiger-telefonieren.de wird’s nicht so teuer) und denkt an die 4,5 h Zeitverschiebung.
Seit alle ganz herzlich gegrüßt und bis zum nächsten Mal!
Euer braungebrannter Johannes :)
P.s: unter http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ könnt ihr euch die ersten Bilder ansehen, ich werde sie bald noch beschriften, sie sind größtenteils vom Basiszentrum
Ich heisse euch willkommen zu meinem ersten Erlebnissbericht hier aus Nagpur bei, aus deutscher Sicht, beneidenswerten Temperaturen von 35 Grad und strahlendem Sonnenschein! Ich weiss mein Glueck zu schaetzen und hoffe, dass ihr euch in den kalten deutschen Wintertagen ein wenig an meinen Text erwaermen koennt :)
Die ersten zehn Tage im Freiwilligendienst platzen vor der Masse an neuen Eindruecken und Erlebnissen und geben mir das Gefuehl hier genau richtig zu sein! Die freundliche Offenheit, die einem hier vom ersten Flughafenmitarbeiter bis zum Slumbewohner entgegenstrahlt haut einen wirklich um und laesst mich hier sehr wohl fuehlen. Indien, oder der klitzekleine Teil den ich bis jetzt zu sehen bekommen habe, ist ein beeindruckendes Land, so facettenreich und widerspruechlich, schoen und haesslich zugleich.
Die ersten Tage hatte ich das grosse Glueck von der anderen Freiwilligen Amelie eine Orientierungswoche organisiert zu bekommen, in der ich alle wichtigen Arbeitsfelder und –orte des Ecumenical Sangam (kurz Sangam) kennenlernen durfte. Praktisch hiess das raus aus dem Flugzeug rein ins Gewimmel. Zuerst gings 9 Uhr morgens durch den unnachvollziehbaren Strassenverkehr (irgendwie gibts ja Linksverkehr, aber eigentlich faehrt jeder wie er will, wo er will und wann er will und letzendlich siegt der mit der lautesten Hupe ) zum Vereinshaus im Herzen von Nagpur. Alle wichtigen Mitarbeiter waren dann zu einer Vorstellungsrunde eingeladen, bei der ich ueber alle Arbeitsbereiche im Schnelldurchgang informiert wurde. Der Grossteil der Mitarbeiter spricht nur Hindi oder Marathi (die Landessprache des Bundesstaates Maharashtra) sodass mir ein Grossteil uebersetzt werden musste. Noch etwas mit dem Jetlag des langen Fluges kaempfend habe ich dann soviel wie moeglich versucht aufzuschnappen. Ein Grossteil der Projekte arbeitet in 5 der mehr als 450 (!)Slums der Stadt und in von der Welt fast abgeschnittenen Doerfern in der Region rund um Nagpur. Dabei stehen vor allem medizinische Aufklaerung und Fortbildungsangebote auf dem Programm, z.B. gibt es eine grosse Aufklaerungskampagne ueber Lepra und halbjaehrige Naeherinnen-Kurse.
Aufregend wurde es dann beim ersten Slumbesuch mit einer Solzialarbeiertin-Parinita. Mein Bild von einem „typischen“ Slum war bis dato gepraegt durch die Bilder aus Fernsehen und Zeitung von Blechhuetten, Plastikplanen und viel Dreck. In den 2 Slums, die ich bis jetzt besucht hatte war ich aber überrascht worden von gemauerten Häusern und befestigten Dächern, wenn auch sehr klein für die 3-4 Generationen, die dort unter einem Dach leben. Dort gab es aber z.B. auch nicht viel mehr Müll als in den restlichen Straßen von Nagpur (welche offiziell immerhin die zweit grünste und sauberste Stadt Indiens ist). Dadurch das Parinita einen sehr engen Kontakt zu ihren betreuten Personen hat wurde auch ich herzlich in die Häuser ihrer „Klienten“ eingeladen. Gastfreundlich wie ich bin musst ich dann bei jeden einen kleinen Chai (extremst leckerer Gewürztee) mittrinken um den Gastgebern, das Gefühl zu geben, dass sie mich „richtig“ bewirtet haben Parinitas Arbeit besteht zum Großteil aus der gesundheitlichen Aufklärung der Menschen, vor allem der Kinder, was Ernährung und Impfungen anbelangt und außerdem zeigt sie den Menschen wo und wie sie auch ihre Ansprüche auf staatliche Hilfe geltend machen können. Die Situation ist für uns unvorstellbar, praktisch als wenn man eben in Armut in Deutschland lebt und nicht weiss, dass es so was wie Hartz IV überhaupt gibt.
Das waren wirklich einzigartige Einblicke, die man als Touri wohl kaum bekommen könnte. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Wochen noch einmal hingehen kann und mich mit meinen bis dahin verbesserten Hindi-Skills (ich hab seit heute eine Hindi-Lehrerin…juhuu) mit den Leuten ein bisschen direkter unterhalten zu können. Außerdem hatte ich einem Mädchen dort versprochen, was akzentfrei Englisch sprechen konnte, nach einer Andrea Heidelberg aus Göttingen zu gucken, da ihre Mutter vor 20 Jahren lange Briefkontakt mit ihr hatte. Ich hab leider nichts rausfinden können, vielleicht wisst ihr ja was?
Obwohl es nur eine Woche zurückliegt ist seitdem schon wieder so viel passiert, dass mir schon schwer fällt die Eindrücke der Reihe nach zuordnen. Sehr aufregend war dann eine Citytour mit Shrikant, DEM Arbeitstier und Hauptorganisator im Sangam überhaupt. Er hat uns im indischen Fahrstil die Stadt von allen Seiten gezeigt, rauf auf die Seminary Hills mit Blick über die Stadt, vorbei an riesigen Wasserreservoirs für die Wasserversorgung in den trockenen Monaten, die jetzt kommen werden. Allein heute hat das Thermometer einen Spitzenwert von 38°C erreicht, der sonst erst ab Ende März normal ist. Ich kann mich also auf eine heiße Zeit einstellen, bis der Monsun kommt. Zur Abkülung haben wir uns dann in einen Buddhistentempel verzogen, bei dem vor 50 Jahren Hundertausende Hindus mit ihrem Anführer (Ambedkar) zum Buddhismus konvertiert sind um den Ungerechtigkeiten ihres niederen Kastendaseins zu entkommen. Nagpur hat also geschichtlich richtig was auf dem Kasten. Später sind wir (ich mit der anderen neuen Freiwilligen Hannah und den alten Freiwilligen) auf eigene Faust in die Stadt losgezogen um die wichtigsten Einkäufe zumachen und unsere miesen Feilschfähigkeiten zu testen. Dazu kam es aber gar nicht erst, weil wir als Europäer eh ständig von Straßenhändlern und Rikshafahrern belagert wurden, begleitet von tausenden an uns haftenden Blicken. Das ist echt einzigartig als Paradiesvogel durch die Gegend zu wandeln und kann auf Dauer echt anstrengend werden. Aber mit nem Lächeln im Gesicht geht hier alles .
- Schnitt -
Kontrastprogramm Bamhani Basiszentrum, 36 km südlich von Nagpur. ZACK! Stand ich da, 9 Uhr Montagmorgen vom Fahrer abgesetzt im Basiszentrum Bamhani. Stille. Affenschreie. Vogelgezwitscher. Morgensonne. Verschlafene Mitarbeiter mit einem Begrüßungsstrauß in der Hand. Ich war angekommen an meiner richtigen zukünftigen Arbeitstelle. Idyllisch wie in „Unsere kleine Farm“ , 4 Häuser ein paar Brunnen und jede Menge Ackerland. Und auch hier kam mir eine so herzliche Freundlichkeit entgegen, das ist echt der Hammer. In einer Schnelldurchlaufvorstellungsrunde wurden alle Arbeitsgebiete die auf dem Basiszentrum angesiedelt sind vogestellt. Mikrofinanzierungsprojekte, Gesundheitscamps, Schneiderinnenkurse, Kindergarten, Technikerausbildung, Wasserwirtschaft und Biologische Landwirtschaft. Alle Gebiete mehr oder weniger in den Kinderschuhen, im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier sorgen die 65 Kindergartenkinder tagsüber für jede Menge Leben! Nachdem wir unsere Zimmer dann einweihen konnten (grade erst 2 Tage vorher fertig geworden) gings mit Dr. Awchat auf ins erste von vier Subzentren, die im Umkreis von 30 km ums Basiszentrum angesiedelt sind. Der Doktor macht jeden Tag nach seiner normalen Praxisarbeit von 16-21 Uhr Besuche in den Subzentren um den Menschen, die sonst keine Möglichkeit hätten zu den weit entfernten Krankenhäusern zu fahren, eine medizinische Grundversorgung anzubieten. Das war echt krass: erst mit dem Jeep über teilweise holprigste Pisten zu den Basislager „vorstoßen“. Dann warten in der Regel schon 10-20 Patienten um sich behandeln zu lassen. Entweder aus mangelnden Platz oder aus indischer Mentalität haben sich dann alle in den Behandlngsraum gesetzt, der sonst als Nähschule genutzt wird, und dann wurde jeder nach und nach zum Tisch,der in der anderen Ecke des Raumes stand, gerufen und konnte sein Anliegen schildern und alle hören mit und wissen somit, dass Müllermeierschmidt aus Nachbardorf X gestern einen Bandscheibenvorfall bei der Feldarbeit hatte. Um das ganze noch zu toppen wurde dann noch von Steffen (ein anderer Freiwilliger) alles auf Video für den ersten DIZ-Film aufgezeichnet. Das würde ich ja zu gern mal in einer deutschen Praxis ausprobieren.
Die Fahrten übers Land waren nebenbei auch sehr interessant für mich, um einen Eindruck zu bekommen wie die indische Landwirtschaft aussieht. Dabei sticht einem sofort die extreme Trockenheit ins Auge. Sobald ein Flecken Erde nicht mehr mit Brunnenwasser bewässert wird trocknet er unter der knallenden Sonne sofort aus. Das ist dann der indische Winter: die Bäume tragen kein Laub, weil einfach alles eintrocknet. Die folgen konnte ich dann gleich am eigenen Leib erfahren, als wir von einer Tour zum Basiszentrum zurückkamen haben uns große Stichflammen und ein fette Rauchwolke begrüßt. Ich dachte sofort „Verdammt, das wars dann mit der Farm und den Feldern“ Meine Kollegen meinten dann aber, das sei ganz normal, haben sich ein paar Zweige genommen und das Feuer ausgeklopft. Nachdem die größten Brandherde dann nur noch kleine Feuerchen waren, war das Thema erledigt. Da hats mir echt den Magen umgedreht, bei den Bildern die man aus Australien so gesehen hat. Das Feuer kam übrigens vom Nachbar nebenan, der seine geernten Felder lieber abbrennt, als das restliche Stroh einzusammeln, damit der Boden wieder für die nächste Saison bestellbar ist. Das ist hier so die gängige Praxis habe ich mir sagen lassen.
Wären wir etwas später gekommen, hätte sich wohl mein zukünftiges Arbeitsgebiet, der Biolandbau, in Luft aufgelöst. Glück gehabt. Der Biolandbau wurde übrigens erst letztes Jahr durch eine Freiwillige eingeführt und wird jetzt von mir weitergeführt. Dazu werden mir vom Vorstand täglich neue Ideen mitgeteilt, was man noch alles auf der Farm machen könnte um den Bauern aus der Umgebung Alternativen aufzuzeigen. Somit stecke ich gerade in einem Tronsformationsprozess von der Laborratte zum „Bauer sucht Wissen“ und hoffe dabei in den nächsten Monaten viel dazuzulernen und anstoßen zu können. Dabei wird es vor allem interessant mit der indischen Arbeitsgeschwindigkeit klarzukommen, die den Temperaturen entsprechend gemütlicher von statten geht. Aber das muss ja nicht unbedingt negativ sein, da man sich so seine Investitionen und Vorhaben noch mal genau überdenken kann.
Konkret werde ich am Montag mit der Beaufsichtigung vom Bau eines Regenwassersammelbeckens für das Dachabflusswasser und der Weizen und Linsenernte betraut sein. Bei der Ernte muss ich z.B. den durchschnittlichen Ertrag pro Flächeneinheit herausfinden für die unterschiedlich gedüngten Felder (Biodünger, chemischer Dünger, gemischt) um so auf die optimale Düngung für unseren Boden herauszufinden. Es gibt also eine Menge zu tun und ich freu mich riesig drauf!
Ich hoffe ihr seit bis hierher gekommen und könnt euch ein Bild davon machen wie hier die ersten Tage aussahen. Ich werde euch auf dem laufenden halten mindestens alle 2 Wochen, sofern mir das die dutzenden Strom und Internetausfälle ermöglichen! Wenn ihr mich auch persönlich hören Wollt so erreicht ihr mich auf der Nummer 00919657981201 (das ist mein indisches Handy mit einer passenden Vorwahl von www.billiger-telefonieren.de wird’s nicht so teuer) und denkt an die 4,5 h Zeitverschiebung.
Seit alle ganz herzlich gegrüßt und bis zum nächsten Mal!
Euer braungebrannter Johannes :)
P.s: unter http://www.flickr.com/photos/31906747@N02/ könnt ihr euch die ersten Bilder ansehen, ich werde sie bald noch beschriften, sie sind größtenteils vom Basiszentrum
johannesatindia - 28. Feb, 20:29